Tagespilgern um Bad Staffelstein

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Von Simone Allig, Sabrina Schwab und Johannes Schmoldt

Alltag aus, Natur an: Pilgern bietet die Möglichkeit, eine Auszeit zu nehmen – und zwar ganz egal ob gläubig oder nicht. Denn jeder kommt gern mal runter – und viele eben auch beim Pilgern: Einen Tag lang den Stress wegatmen, Facebook, WhatsApp & Co. hinter sich lassen und Natur in sich aufsaugen. Und nicht erst seit Hape Kerkelings Bestseller ist man auch in Bad Staffelstein dann einfach mal weg.

Ganz klar: Pilgern hat sich verändert. Jeder kann heute spirituell wandern, muss dafür nicht wochenlang Urlaub nehmen oder das Gebetsbuch auswendig lernen. Das merkt auch Reinhold Müller, ein echter Oberfranke. Müller macht rund um Bad Staffelstein die hügeligen Wege zum Entspannungsziel: Der 67-Jährige ist Pilgerbegleiter. Er führt Bewohner aus der Umgebung aber auch internationale Gäste durch seine Heimat. Vor mehr als 40 Jahren kam er von Bamberg nach Lichtenfels. Aber: Pilgern war er hier sogar noch früher. Mit neun Jahren lief er mit seiner Familie von Kirche zu Kirche – und entdeckte  seine Wanderleidenschaft. Heute kennt er sogar die vielen kleinen Kapellen und Wegkreuze abseits der bekannten Pilgerstätten. Und wer mit ihm auf dem Bad Staffelsteiner Kapellenweg unterwegs ist, erlebt mehr als nur religiöse Einkehr.

Pilgern zwingt zu nichts

Reinhold Müller bietet Pilgertouren für Motorradclubs oder Flüchtlinge an. Er sagt, „ihn begleiten Menschen von 10 bis 80 Jahren“: einzelne Genießer, ganze Freundesgruppen oder Familien mit Kindern. Die Liebe zur Natur oder zum eigenen Körper, Lust auf Sport oder neue Konakte und am Ende vielleicht auch der Glaube – darum schleppen sich Leute mit Reinhold Müller durch die hügelige Landschaft. „Wer mitkommt, kann sich gerne unterhalten, über Gott und die Welt“, berichtet der Pilgerbegleiter. „Wer aber lieber nicht reden oder in keine Kirche mitgehen möchte, wird zu nichts gezwungen.“ Das Tolle am Pilgern: Jeder kann für sich selbst bestimmen, was es ihm bedeutet.

Das Pilgern ist heute ziemlich komfortabel: Eintagestrips, Wellness-Hotels am Rand der Strecke und unzählige, ausgeschilderte Wege, auf denen sich jeder leicht zurecht findet. Eigentlich bräuchte der moderne Pilger nicht mal in eine der vielen Kirchen in Oberfranken zu gehen. Und trotzdem: Völlig losgelöst vom religiösen Ursprung, dass Christen ihren Weg zu Gott schon auf Erden erwandern müssen, ist das Pilgern auch heute nicht. Da die christliche Verpflichtung nicht mehr besteht, komme das eigentliche Wesen einer Pilgerreise zum Vorschein, sagt Reinhold Müller: Zeit zum Nachdenken, Zeit für sich.

Trendsport Pilgern

Auf den bekannten Routen – dem Jakobsweg in Spanien oder zum Papst nach Rom – pilgern heute vor allem Menschen ab 40, weiß Angela Böverich vom Bayerischen Pilgerbüro: Besonders Frauen seien dabei noch sehr religiös motiviert und machen sich zu den großen Pilgerstätten in Europa auf. Für Pilgertouren wie Reinhold Müller sie anbietet lassen sich aber nur schwer konkrete Zahlen ermitteln. Anmeldungen sind nicht notwendig, wer kommt, kann mitgehen. Pro Wanderung seien es 10 bis 15 Leute, erzählt der Pilgerbegleiter. Egal ob Sommer oder Winter: Das Interesse ist konstant. Auch Bestseller wie Hape Kerkelings Sachbuch „Ich bin dann mal weg“ oder der Roman „Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“ von Rachel Joyce zeigen, dass Pilgern im Trend liegt. Selbst bekennende Atheisten wie der Schriftsteller Thomas Glavinic versuchen den Reiz am Pilgern zu verstehen und begeben sich mit auf die Reise: Der Name seines satirischen Buchs: Unterwegs im Namen des Herrn.

Es muss aber nicht die weite Reise sein, um persönliche Pilgerziele zu verwirklichen. Die 20 Kilometer des Bad Staffelsteiner Kapellenwegs lassen sich an einem Tag gut erwandern und warten mit oberfränkischen Sagen, Wehrkirchtürmen und Barockkirchen auf.

Perfekt pilgern

Die Pilgerreise von heute ist abwechslungsreich – durch ihre Teilnehmer, durch ihre Wegstrecke, durch ihre Sehenswürdigkeiten, durch die persönlich gesteckten Ziele. Aber nicht nur das Pilgern und die Pilger selbst haben sich verändert – mit ihnen wechselte natürlich auch die Pilgerausrüstung.

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Wer selbst mal wieder seine Wanderschuhe schnüren möchte, findet rund um Bad Staffelstein viele Möglichkeiten dazu. Ein Wanderkalender führt die zahlreichen Angebote auf. Die kleine Flucht aus dem Alltag, der Samstag in einer anderen Welt, zu sich finden, Kilos verlieren, Gott näherkommen oder neue Freunde machen. Und wer sich nicht verlaufen will, wendet sich an Reinhold Müller.