Von Katharina Unsin, Simone Hausladen und Franziska Ehrenfeld
Hopfen und Malz, Gott erhalt´s – und das nun schon seit 500 Jahren. Doch nicht so in Bamberg. Während das Bayerische Reinheitsgebot dieses Jahr großes Jubiläum feiert, haben die Bamberger einen noch größeren Grund zur Freude: Sie können auf ein 27 Jahre älteres Reinheitsgebot zurückblicken.

Hopfen, Gerstenmalz, Wasser und Hefe – die vier Grundzutaten des Bieres; Foto: Simone Hausladen
Weißbier, Pils oder doch lieber ein leckeres Helles? Die Auswahl ist heutzutage gigantisch, die Grundzutaten jedoch immer die gleichen. So will es das Bayerische Reinheitsgebot, welches am 23. April 1516 von dem bayerischen Herzog Wilhelm IV. und seinem Bruder Herzog Ludwig X. in Ingolstadt erlassen wurde. Darin heißt es:
„Ganz besonders wollen wir, daß forthin allenthalben in unseren Städten, Märkten und auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen.“
Das wohl älteste Verbraucherschutzgesetz der Welt sollte so die Menschen in erster Linie vor gefährlichen Inhaltsstoffen wie Pech, halluzinogenen Drogen oder Ruß schützen, die zur damaligen Zeit noch oft mit in das Bier gemischt wurden. Ein weiterer Grund war der Schutz der Bevölkerung vor zu hohen Bierpreisen. Außerdem sollte so verhindert werden, dass der für die Brotherstellung notwendige Weizen für die Bierherstellung verwendet wird.
Die Entdeckung des Bamberger Reinheitsgebots
Der stellvertretende Leiter des Bamberger Staatsarchivs Dr. Klaus Rupprecht hat 2014 herausgefunden, dass das Bayerische Reinheitsgebot einen Vorreiter in Bamberg besitzt. Er entdeckte eine Urkunde der sogenannten „Umgeldordnung“ vom 12. Oktober 1489, in der Interessantes geschrieben steht. Hier das exklusive Original aus dem Staatsarchiv Bamberg in digitalisierter Form:

Urkunde der Umgeldordnung in Bamberg 1489; Quelle: Staatsarchiv Bamberg
Fürstbischof Heinrich III. legte fest, dass die Brauereien der Stadt Bamberg „in solches Bier im Brauen und im Suden nichts mere denn Malz, Hopfen und Wasser nehmen und brauchen“. Das Reinheitsgebot der Stadt Bamberg war geboren. Eine wahre Sensation für die Einwohner der heimlichen Hauptstadt des Bieres.
Das Reinheitsgebot – Höhepunkt einer langen Rechtsentwicklung
Brauer aus aller Welt kommen nach Deutschland, um hier das Brauen nach dem Reinheitsgebot zu lernen. Ein Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung unseres Bieres. Was heute so wichtig ist, wurde aber nicht einfach so nebenbei aus dem Boden gestampft. Das Reinheitsgebot ist viel mehr das Ergebnis einer sehr langen Rechtsentwicklung mit dem Ziel, die Qualität des Bieres zu gewährleisten. Eine Entwicklung, die zeigt, wie wichtig schon unseren Vorfahren die angemessene Bereitstellung eines der damaligen Hauptnahrungsmittel der Bevölkerung war.

Grafik: Katharina Unsin
Die Grafik zeigt die ersten Ansätze des Reinheitsgebots im Laufe der Zeit.
Bambergs Biertradition im Wandel der Zeit
So wie das Reinheitsgebot einen Entwicklungsprozess durchlaufen hat, veränderten sich auch die Maschinen und Gerätschaften, mit denen die Brauer ihr Bier herstellten. Im fränkischen Brauereimuseum in Bamberg wird dieser Fortschritt erlebbar.
Fotos: Franziska Ehrenfeld und Simone Hausladen
Brauen nach dem Reinheitsgebot – so funktioniert´s
Das Grundprinzip des Bierbrauens blieb jedoch Jahrtausende lang bestehen: Gemahlene Malzkörner und Wasser wurden zur Maische vermischt und erhitzt. Dadurch wandelte sich die enthaltene, wasserunlösliche Stärke in löslichen Malzzucker. Nach der Trennung von den festen Bestandteilen wurde die sogenannte Würze zusammen mit dem Hopfen gekocht und fertig war das Bier – oder auch nicht.
Fotos: Simone Hausladen
Nur in etwa 20 Prozent der Fälle gelang das Brauen, da die Zugabe von Hefe bis dahin reiner Zufall war. Zwar wussten die Brauer, dass das Bier besser gelang, wenn es neben einer Bäckerei gebraut wurde, doch die tatsächliche Wirkung der Hefe war lange unbekannt. Darum wurde sie bis ins 19. Jahrhundert auch nicht im Reinheitsgebot aufgeführt. Seitdem ist die Hefe jedoch fester Bestandteil des Bieres. Nach ihrer Zugabe sind nur noch wenige Schritte nötig, bis das Bier in die Flasche kommt.
Bier mit Schokolade oder Kürbispüree?
Bis heute halten sich laut Brauerverband 99 Prozent der deutschen Brauer an das Reinheitsgebot. Bei den in Großbritannien und Irland beliebten Stout-Bieren (bekanntester Vertreter: Guinness) wird der teils schokoladige oder kaffeeähnliche Geschmack nicht immer nur durch eine spezielle Röstung erreicht. Das aus England stammende „Young’s Double Chocolate Stout“ enthält tatsächlich Bitter- sowie Vollmilchschokolade: eine mehrfach preisgekrönte Rezeptur. Obwohl es Deutsche mit dem Reinheitsgebot recht genau nehmen, schwappt der Craftbeer-Trend langsam auch hierher. Die Brauerei Bleicher in Stuttgart bietet unter anderem ein Pumpkin Ale an, das Bio-Hokaidokürbispürree und Ahornsirup enthält. Der Stuttgarter Brauer selbst hält das Reinheitsgebot für überholt, für die Zukunft erhofft er sich ein „Natürlichkeitsgebot“. Der Bamberger Braumeister Markus Schneider wäre davon nicht begeistert.
Bamberg – die Stadt mit der höchsten Brauereidichte weltweit
Die Befolgung des Reinheitsgebots hat bei den Bamberger Braumeistern heute, 527 Jahre nach Erlass, noch immer oberste Priorität. Mittlerweile gibt es mit etwa 200 Hefestämmen, circa 170 Hopfensorten und rund 40 verschiedenen Malzsorten rund eine Million Möglichkeiten, Bier zu brauen. Die Vielfalt der Bamberger Brauereien ist hingegen rückläufig. Im Jahre 1818 kamen auf rund 17.000 Einwohner etwa 65 Brauereien. Zwar weist die oberfränkische Bierstadt noch immer die höchste Brauereidichte der Welt auf, doch heute gibt es „nur“ noch zehn Brauereien bei 71.465 Einwohnern (Stand 2014). Zum Vergleich: In München kommen auf 1.520.408 Einwohner (Stand 2015) nur sieben Stück.
Vor allem kleine, regionale Brauereien waren und sind noch immer vom Brauereisterben betroffen. Die Gründe: Großbrauereien bieten ihr Bier zu günstigeren Preisen an und drücken so den Bierpreis. Außerdem gehört der wöchentliche Stammtisch und das Beisammensein im Brauereigasthof um die Ecke immer mehr der Geschichte an.
Qualitätszeichen Reinheitsgebot
Was den Bambergern wohl immer wichtig sein wird, ist die Qualität des Bieres. Sichergestellt wird diese unter anderem durch das Reinheitsgebot. Welchen Stellenwert hat das 527 Jahre alte Gebot für die Bamberger heute noch?
Hier herrscht Einigkeit: Chemische Zusätze möchte niemand in seinem Feierabendbier. Und auch sonst reichen den Bambergern Hopfen, Malz, Hefe und Wasser für einen vollmundigen Genuss. Zeit auf das 527-jährige Reinheitsgebot aus Bamberg anzustoßen – oder auf das 500-jährige Jubiläum des bayerischen Gebots?