Krisenreporter Till Mayer

Seit mehr als 20 Jahren fährt Till Mayer in Krisen- und Katastrophengebiete überall auf der Welt. Zurück in seiner oberfränkischen Lokalredaktion, wartet ein komplett anderer Alltag auf ihn. Doch die Bilder von Kriegsopfern lassen ihn nicht los

Von Nais Graswald, Lisa Hasenbein und Marlena Maerz
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(Foto: Nais Graswald)

Sein Regenschirm steckt in einer Artillerie-Granate aus dem Kosovo. Wenn Till Mayer seine Wohnungstür einen Spalt öffnet, fällt sein Blick zuerst auf das massive kniehohe Mitbringsel. Der Journalist hat es auf der Straße gefunden. Ein besonderes Stück, er konnte nicht widerstehen, es mitzunehmen.

„Das ist wie eine Krake in dir. Je mehr du siehst, desto größer wird sie.
Manche Bilder vergisst du nicht mehr.“

Till Mayer in Libyen (Foto: Till Mayer)

Till Mayer in Libyen (Foto: Till Mayer)

Regelmäßig räumt Till Mayer seinen Schreibtisch in der Redaktion in Lichtenfels und kehrt Oberfranken den Rücken. Der Reporter erzählt – vor allem mit seinen Fotos – Geschichten. Er spürt Nischen auf. Im einen Moment hat er noch Künstler aus Kulmbach oder Demonstranten gegen Windkraft vor der Linse. Zwei Tage später richtet er den Fokus seines Kameraobjektivs auf verhungernde Kinder in Äthiopien oder explodierende Bomben im Irak. „Eigentlich bin ich einfach nur Reporter“, meint der Journalist. Aber es gibt einen entscheidenden Unterschied zu seinen Kollegen beim Obermain Tagblatt: Till Mayer verbringt seinen Urlaub in Krisen- und Katastrophenregionen auf der ganzen Welt. Und der Journalist weiß:

„Wenn man in den Krieg geht, dann kommt man immer als anderer Mensch zurück.“

 

Schon während seiner Schulzeit war der heute 42-Jährige mit dem Mofa für die lokale Tageszeitung unterwegs. Bis heute hängt er mit Herzblut an diesem Job. Trotzdem gibt es da etwas in ihm, das ihn immer wieder weg zieht. Weg aus seinem geschätzten Umfeld, hinein ins absolute Kontrastprogramm. Und genauso wie es ihn in die entlegenen Winkel der Welt treibt, kehrt der Krisenjournalist jedes Mal aufs Neue zurück. Als Reporter für das Obermain Tagblatt schätzt Till Mayer den engen Kontakt zu den Menschen, über die er berichtet. Auch sein Kollege Steffen Huber betont die persönliche Ebene, auf der Lokaljournalisten arbeiten. „Im Lokaljournalismus haben kritische Artikel eine ganz andere Wirkung“, merkt der Reporter an, „hier kennt man einander.“ Oft tragen Leser der Tageszeitung Themen an die Redaktion heran. Im Zentrum der Berichterstattung stehen vorrangig Geschichten über regionale Probleme, Veranstaltungen und Persönlichkeiten. In der Redaktion in Lichtenfels teilen sich die Aufgaben auf: Einige Mitarbeiter bearbeiten die Inhalte am Schreibtisch, während andere als Reporter unterwegs sind und die Geschichten einfangen.

Steffen Huber fotografiert die Kläranlage in Lichtenfels.

Steffen Huber fotografiert die Kläranlage in Lichtenfels. (Foto: Nais Graswald)

 

Quelle: Reporter ohne Grenzen

Steffen Huber schreibt momentan an einer Geschichte, wie man in der Kläranlage vor Ort Strom sparen kann, und recherchiert dafür in Lichtenfels nach Fotomotiven. Der Journalist ist überzeugt, es wäre eine spannende Erfahrung, auch einmal Kriegsregionen und Katastrophengebiete in seinen Fokus zu nehmen. Mit Interesse lauscht er den Berichten seines Kollegen Till Mayer, wenn dieser von seinen Auslandsaufenthalten zurückkehrt. Tauschen würde er trotzdem nicht mit ihm: „Wenn man schon Tote gesehen hat und sich vorstellt, man kommt in ein Gebiet, wo noch viel mehr Tote liegen, dann möchte man da nicht unbedingt hin.“

Quelle: Reporter ohne Grenzen

Dazu kommt die Gefahr, die eine Reise in Krisengebiete wie den Irak oder Kongo mit sich bringt. Zahlreiche Kriegsjournalisten riskieren täglich ihr Leben, um genau diese Gegenden authentisch abzubilden.

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Kinder in den Straßen von Gaza lächeln in die Kamera von Till Mayer.


„Man darf keine Angst haben.“

Angst ist ein Fremdwort für Till Mayer. Als Jugendlicher erlebte er, wie viele Flüchtlinge aus Bosnien nach Deutschland kamen. Zu dieser Zeit stellte sich der Journalist zum ersten Mal die Frage: Was bedeutet Krieg eigentlich? Als 21-Jähriger fuhr der Journalist damals einfach mit einem Hilfskonvoi mit nach Bosnien – und blieb bei dem Thema hängen. Über Umwege gelangte seine Geschichte über den Aufenthalt dort zum Deutschen Roten Kreuz. Seither arbeitet Mayer als Informationsdelegierter für das Internationale Rote Kreuz und engagiert sich auch für andere Hilfsorganisationen wie Handicap International. Die Länder, die er seit seiner ersten Reise nach Ruanda besucht hat, kann er schon lange nicht mehr an zwei Händen abzählen.

Till Mayer ist seit 20 Jahren Krisenjournalist und hat fast 60 Länder bereist

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Es geht Till Mayer nicht darum, den Schalter umlegen zu können. Nach Feierabend kehrt der Journalist zurück in seine Wohnung in Bamberg. Erinnerungsstücke aus der ganzen Welt, Schilder, Kochbücher und Bilder begrüßen ihn dort. Till Mayer ist beides: Der Lokaljournalist, der möglichst nah am Menschen arbeitet und gelernt hat zuzuhören. Und zugleich ist er der Krisenjournalist, der den Krieg weiterdenkt – aus den unterschiedlichsten Perspektiven und mit all seinen Facetten und Folgen.

Homepage von Till Mayer - Auswahl seiner Artikel

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